Gefahren ionisierender Strahlung
Wissenschaftler verweisen auf neue Datenlage
Groß angelegte epidemiologische Studien der letzten 15 Jahre haben das Verständnis von biologischen Effekten durch Radioaktivität, Röntgenstrahlen und anderen Formen ionisierender Strahlung grundlegend verändert.
Neben der natürlichen Hintergrundstrahlung sind es vor allem zwei Faktoren, die für die Hauptlast der Strahlenexposition der Weltbevölkerung verantwortlich seien: die radiologische Diagnostik der modernen Medizin und die unterschiedlichen Bereiche der Atomindustrie. In der Medizin werden die neueren epidemiologischen Daten aus der Strahlenforschung sehr ernst genommen; der Trend geht zu einem deutlich sparsameren Einsatz ionisierender Strahlung. Vor allem die konventionelle CT-Diagnostik wird mehr und mehr durch low-dose Anwendungen, MRT und Sonographie ersetzt. In der Atomindustrie scheinen die wissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch noch nicht angekommen zu sein. Sowohl in der Diskussion um die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima als auch in den Debatten hierzulande um die langfristige Lagerung von Atommüll, den Rückbau von Atomkraftwerken oder die Liberalisierung der Freigaberegelungen für radioaktiv kontaminierte Abfälle – immer wieder werden von Seiten der Atomindustrie und einiger industrienahen Institutionen überholte Grenzwerte herangezogen und realitätsfremde Strahlenschutzvorstellungen aufrechterhalten.
Dabei ist die Datenlage mittlerweile erdrückend: Erst 2013 veröffentlichten australische Forscher in der angesehenen Fachzeitschrift "British Medical Journal" (BMJ) eine Analyse von über 10 Millionen Patientendaten, die eine Erhöhung des Krebsrisikos um ca. 24% durch eine einzige CT-Untersuchung (durchschnittliche Strahlendosis 4,5 mSv) zeigte. Jedes weitere CT ließ das Risiko um zusätzliche 16% steigen, bei Kindern war der Effekt sogar noch ausgeprägter. Erst im Vorjahr hatten britische Wissenschaftler ähnliche Ergebnisse in der Zeitschrift "The Lancet" veröffentlicht. Zudem ist bereits seit den 1950er Jahren bekannt, dass vor allem Säuglinge und Föten im Mutterleib eine stark erhöhte Strahlensensibilität besitzen. Schon ein einzelnes Röntgenbild während der Schwangerschaft führt zu einer messbaren Erhöhung des späteren Leukämierisikos der Kinder. Neuere Studien zeigen zudem Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen natürlicher Hintergrundstrahlung oder beruflicher Exposition mit ionisierender Strahlung und dem Risiko für Krebs und Herzkreislauferkrankungen. Ein Schwellenwert ist in keiner dieser Studien erkennbar. Die in Fukushima aufgestellte Behauptung, dass selbst Strahlendosen von bis zu 100 mSv keine messbaren gesundheitlichen Folgen haben würden, ist deshalb wissenschaftlich unhaltbar.
Kinderkrebs um Atomkraftwerke
Zudem wurden auch ohne massive Katastrophen rund um deutsche, englische, französische und schweizerische Atomkraftwerke erhöhte Krebsraten bei Kindern festgestellt. Im Dezember 2007 sorgte das Ergebnis einer Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz bundesweit für Schlagzeilen: Je näher ein Kind an einem Atomkraftwerk wohnt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es an Krebs oder Leukämie erkrankt. Die so genannte KiKK-Studie ist die aufwändigste und exakteste Studie, die zum Thema Krebserkrankungen um Atomkraftwerks weltweit durchgeführt wurde.
Wissenschaftler und Ärzte fordern schon seit langem eine Anpassung des Strahlenschutzes an den aktuellen Stand der Wissenschaft, eine konsequente Minimierung der Strahlenexposition der Bevölkerung und eine evidenzbasierte öffentliche Diskussion. Welches gesundheitliche Risiko durch ionisierende Strahlung als akzeptabel und zumutbar angesehen wird, bedarf einer gesellschaftspolitischen Entscheidung mit Einbeziehung der Betroffenen.
Hibakusha weltweit
Eine Ausstellung der IPPNW
Die Ausstellung zeigt die Gesundheits- und Umweltfolgen der „Nuklearen Kette“: vom Uranbergbau über die Urananreicherung, zivile Atomunglücke, Atomwaffentests, militärische Atomunfälle, Atombombenangriffe bis hin zu Atommüll und abgereicherter Uranmunition.
Motive zum Thema „Atomkraft”:
- Fukushima (Japan)
- Sequoyah and Watts Bar (USA)
- Three Mile Island (USA)
- Tomsk-7/Sewersk (Russland)
- Tschernobyl (Ukraine)