Rössing, Namibia
Uranbergbau
Der Urantagebau in Rössing gibt seit mehr als 30 Jahren Anlass zur Sorge. Die unsicheren und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter, radioaktive Lecks und die Kontamination der Umwelt durch ungesicherte Abraumhalden – sie alle schaden der Gesundheit der örtlichen Bevölkerung.
Hintergrund
Der weltweit größte Urantagebau in Rössing, Namibia wurde 1976 in Betrieb genommen und wird von der internationalen Bergbaufirma Rio Tinto betrieben. Weitere Hauptanteilshaber der Mine sind die Regierungen des Irans und Südafrikas. Das in Rössing geförderte Uran macht ca. 10 % von Namibias Gesamtexporten aus und Namibia zum fünftgrößten Uranproduzenten der Welt.
Abhängig von der Qualität des geförderten Uranerzes müssen etwa zwei bis fünf Tonnen Roh-Erz verarbeitet werden, um ein einziges Kilogramm Uranoxid herzustellen. Was übrig bleibt, wird als radioaktiver Abraum in der Nähe der Mine gelagert – und behält dabei über 80 % der ursprünglichen Radioaktivität des Uranerzes bei. So mussten 2005 19,5 Millionen Tonnen Erz gewonnen werden, um 3.711 Tonnen Uranoxid zu produzieren. Nach Angaben von Rio Tinto benötigte dieser Prozess mehr als drei Millionen Kubikmeter Wasser und 226.000 Tonnen Schwefelsäure, die für die chemische Auswaschung des Urans genutzt wird. Für die Minenarbeiter, die größtenteils dem Volk der Nama angehören, wurde die Stadt Arandis nahe dem Tagebau errichtet, während die weißen Führungskräfte in der Küstenstadt Swakopmund leben, 70 km entfernt von den schädlichen Auswirkungen und der radioaktiven Kontamination durch den Uranbergbau.
Mehrere Fälle unzureichender Sicherheitsvorkehrungen in Rössing erregten internationale Besorgnis, da spaltbares Material in falsche Hände gelangen könnte. Erst 2009 wurde bekannt, dass Arbeiter 170 kg Uranoxid gestohlen hatten und dann versuchten, es auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Die Arbeiter wurden zwar überführt, doch die „Global Threat Reduction Initiative“ des US-Energieministeriums mahnt dennoch eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in Rössing an.
Folgen für Umwelt und Gesundheit
Solange Uran tief in der Erde gebunden vorliegt, stellen alpha- und betastrahlende Zerfallsprodukte wie Radon oder Thorium kaum eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Sobald es jedoch an die Oberfläche gebracht, als Staubpartikel durch die Luft getragen oder in Wasser gebunden wird, nehmen Menschen die radioaktiven Isotope auf und sind einer inneren Strahlenexposition ausgesetzt. Die Arbeiter in Rössing kommen täglich mit radioaktivem Staub und Radongas in Kontakt. Obgleich riesige Mengen an Wasser verwendet werden, um den Uranstaub auf dem Boden zu halten, erzeugt die Verwendung von Sprengsätzen im offenen Tagebau große radioaktive Staubwolken, die zu den Feldern und Siedlungen der nahe gelegenen Stadt Arandis getragen werden und die Gewässer der Region verseuchen. In 80 % der Grundwasserproben wurden erhöhte Uranwerte nachgewiesen. Die höchste gemessene Konzentration von 528 µg/l übersteigt den WHO-Grenzwert von 15 µg/l um das 15-fache. Mehrere Studien konnten zudem bereits gesundheitliche Auswirkungen zeigen, die nicht durch andere Faktoren erklärt werden können. Eine unabhängige Fall-Kontroll-Studie der Berliner Charité zeigt eine, im Vergleich zur Kontrollgruppe, sechsfach erhöhte Uranausscheidung bei den Minenarbeitern von Rössing, eine dreifach erhöhte Rate an Chromosomenaberrationen, eine deutlich verringerte Lymphozytenzahl als Zeichen einer Immunsuppression sowie niedrigere Testosteronspiegel als Hinweis auf eine Gonadenschädigung. Die Blutkörperchen der Rössingarbeiter wiesen dabei ähnliche Störungen auf wie die der Überlebenden des Atombombenabwurfs von Hiroshima oder der Atomkatastrophe von Tschernobyl. Diese Ergebnisse bestätigen neuere wissenschaftliche Hinweise, dass eine chronische Belastung mit Niedrigstrahlung ähnliche Folgen haben kann wie eine akute Verstrahlung mit hoher Intensität.
Ausblick
Um die Inzidenz von Krebs bei Minenarbeitern und Anwohnern zu bestimmen, wären umfangreiche epidemiologische Studien erforderlich. Statt solche Untersuchungen durchzuführen, gab die verantwortliche Betreiberfirma im Jahr 2000 selbst eine Studie in Auftrag um die Ergebnisse der Berliner Forschungsgruppe zu widerlegen. Statt den bereits entstandenen Schaden zu untersuchen, entschied Rio Tinto 2007, den Tagebau in Rössing noch zu erweitern, die Betriebszeit bis 2016 zu verlängern und die Produktion auf 3.800 Tonnen Uranoxid pro Jahr zu erhöhen. So sind die Anwohner von Rössing erneut Opfer der Gier nach billigem Uran – auch sie sind Hibakusha.
Weiterführende Informationen
Der sehenswerte und gut recherchierte Film „Die Lüge von der sauberen Energie – Yellow Cake“ von Joachim Tschirner: www.yellowcake-derfilm.de
Quellen
- Shindondola-Mote H. „Uranium mining in Namibia – the mystery behind ‚low level radiation‘“. Labor Resource and Research Institute, Februar 2009. http://somo.nl/publications-en/Publication_3061/at_download/fullfile
- „Report to Stakeholders 2005“. Rössing Uranium. www.rossing-com.info/reports/stake_report_3MB.pdf
- Duddy JM. „Nam uranium spooks the US“. The Namibian, 03.02.10. www.namibian.com.na/indexx.php?archive_id=62401&page_type=archive_story_detail&page=2591
- Kingel et al. „Groundwater quality assessment in the Khan- and Swakop River catchment“. Gemeinsamer Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (MBZ), Juli 2010. www.bgr.bund.de/EN/Themen/Wasser/Projekte/abgeschlossen/TZ/Namibia/nausea_fb_en_pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1
- Zaire et al. „Unexpected Rates of Chromosomal Instabilities and Alterations of Hormone Levels in Namibian Uranium Miners“. Rad Res 1997 May;147(5):579-84. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9146703
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